In China ein alltägliches Bild.
Menschen im Park, allein oder gruppenweise, ganz auf ihre sanften, langsamen, gemächlich fließenden Körperübungen konzentriert. Sie praktizieren Qigong (sprich: tschi gung). Diese meditative Bewegungsform, tief verwurzelt in östlicher Kultur und Philosophie, blickt auf eine vielhundertjährige Geschichte zurück.
Es gibt unterschiedliche Traditionen des Qigong: daoistische, buddhistische, konfuzianische und medizinische. Letztere steht für uns im Mittelpunkt. Dabei beruht Qigong als gesundheitlich motivierte Aktivität auf der chinesischen Vorstellung, dass das gesamte Universum – und damit auch der Mensch – von „Qi“ durchdrungen ist. Darunter versteht man Lebensenergie, sich ständig bewegende und wandelnde Lebenskraft. Deren ungehindertes Fließen in den menschlichen Energiebahnen, den Meridianen, ist die wichtigste Voraussetzung für Gesundheit. „Gong“ wiederum heißt, durch ausdauerndes Üben an etwas zu arbeiten. Qigong stellt also den aktiven Teil der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) dar – denn es bedeutet, dass intensiv Übende selbst am ungehinderten Fließen ihrer Energie arbeiten, so körpereigene Heilungskräfte aktivieren und damit entscheidend zu ihrer Gesunderhaltung beitragen können. (Im Unterschied zum passiven Teil, wenn etwa Akupunkturnadeln zum Auflösen von Qi-Blockaden in den Meridianen gesetzt werden.)
Und wie geschieht das?
Durch eine Kombination bestimmter Bewegungen und Körperhaltungen mit tiefem Atem, entspannter Achtsamkeit und Vorstellungskraft. So „…geben wir Impulse und Signale an unseren Organismus und beeinflussen damit unsere Körperfunktionen und unseren Geist.“ (Prof. Jiao Guorui, Begründer des Lehrsystems Qigong Yangsheng). Das Ziel: nicht einzelne Symptome zu kurieren, sondern das gesamte körperlich-mentale System positiv zu beeinflussen und ins Gleichgewicht zu bringen.
Die gesundheitlichen Effekte, die sich bei regelmäßigem Qigong-Üben einstellen, sind vielfältig. Und auch diejenigen, die der Meridian-Theorie, dem „Fließen des Qi“ oder der TCM insgesamt vielleicht skeptisch gegenüber stehen, nehmen unmittelbar wahr
dass Atemfrequenz und Blutdruck reguliert werden
dass der Stresspegel sinkt und sich tiefe innere Ruhe einstellt, gepaart mit Klarheit und geistiger Frische
dass die Beweglichkeit der Gelenke aktiviert wird
dass muskuläre Verspannungen gelockert werden
dass sich die Körperwahrnehmung verbessert
und dass sich insgesamt ein umfassendes Wohlgefühl ausbreitet.
Diese positiven Auswirkungen u.a. auf das respiratorische System, das kardiovaskuläre System und das Nervensystem sind inzwischen auch in der westlichen Medizin durch dutzende wissenschaftlicher Untersuchungen belegt worden und als unstrittig anerkannt. Was auf der Hand liegt. Denn ganz unabhängig von den chinesischen energetischen Aspekten leuchtet vollkommen ein: Die tiefe, ruhige Atmung verbessert die Sauerstoffversorgung des gesamten Organismus; die kontinuierliche Anspannung und Entspannung in den Bewegungen fördert die Durchblutung der Muskulatur und kräftigt sie; die sanfte, innere Massage der Bauchorgane sorgt für eine spürbar bessere Verdauung; die völlige Ruhe und Fokussierung bei den Übungen ist eine absolute Wohltat für das vegetative Nervensystem. Während in China reine Qigong-Kliniken selbstverständlicher Bestandteil des Gesundheitswesens sind, wird auch in immer mehr Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen der westlichen Welt Qigong als therapeutische Maßnahme angeboten. Seit Sommer 2020 untersucht etwa die Berliner Charité im Rahmen einer Therapiestudie, wie sich Qigong-Übungen zur Behandlung von Long-Covid-Patienten einsetzen lassen. Und die Kooperationsgemeinschaft gesetzlicher Krankenkassen in Deutschland hat Qigong in ihre Liste gesundheitsfördernder Präventions-Angebote aufgenommen und zertifiziert nach entsprechender Prüfung der Voraussetzungen Anbieter von Qigong-Kursen. Auch ich habe diesen Prozess erfolgreich durchlaufen.
Doch dass Qigong seit alters her als wichtige Maßnahme zum „Vertreiben von Krankheiten und zur Verlängerung des Lebens“ (Prof. Jiao Guorui) gilt, soll den Blick auf einen ganz entscheidenden Aspekt nicht verstellen: Es macht ganz einfach Freude, Qigong zu üben und es sich ganz locker und entspannt in den sanften, harmonischen Bewegungen gut gehen zu lassen!
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